Tagebuch Fahrerlager – Teil 1

Es war Weiberfastnacht, 24. Februar 2022 – normalerweise liegen sich Menschen in den Karnevalshochburgen schunkelnd und feiernd in den Armen. In diesem Jahr war alles anders, obwohl die Corona-Situation das eingeschränkte Feiern zugelassen hätte. An diesem denkwürdigen Donnerstag schockierte der durch Putin befohlene Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine die Welt.

Nicht die politischen Umstände, die dazu führten, bewegten auch in Bad Brückenau viele Menschen, sondern das unglaubliche Leid, die Schicksale der Ukrainerinnen und Ukrainern und die Gefahr, welcher ein gesamtes Volk unschuldig ausgesetzt war.

Besonders berührt war Uwe Schindler, nicht nur berührt, sondern nahezu ohnmächtig. Jedoch ist Uwe ein „Macher“ und ihm war sofort klar, dass er helfen möchte – unbürokratisch und schnell. Also schnappte er sich seinen Kumpel Christian Bieler, und sie planten bereits wenige Tage nach Ausbruch des Krieges die erste Bad Brückenauer Hilfsmission zur polnisch-ukrainischen Grenze. Seine Aktion fand zahlreiche Unterstützer, die vor allem Geld spendeten, aber auch andere Hilfsgüter.

Der Plan war es, bereits am 4. März zum polnischen Ankunftszentrum in Przemysl zu reisen, dort vor allem dringend benötigte Lebensmittel hinzubringen und etwa 10 – 12 Personen in Sicherheit zu bringen. Sehr dynamisch entwickelte sich die Planung, und in der Nacht zum 6. März hat der Bad Brückenauer Hilfskonvoi dann insgesamt 21 Menschen – überwiegend Frauen und Kinder – in die Obhut vieler Helferinnen und Helfer im evangelischen Gemeindehaus übergeben. Ulrich Wildenauer hat sich hier maßgeblich um die Organisation der Teams vor Ort gekümmert.

In Przemysl selbst stellte das Team um Uwe Schindler katastrophale Zustände fest. Keine Hilfsorganisationen waren vor Ort, lediglich viele polnische Freiwillige kümmerten sich im ehemaligen Einkaufszentrum TESCO um die ankommenden Flüchtlingen – völlig überfordert mit dem Ansturm der Massen. Die ängstlichen Menschen lagen auf dem kalten Fliesenboden, es gab kaum sanitäre Einrichtungen, auf dem Parkplatz vor dem Center brannten Feuertonnen, an denen man sich etwas aufwärmen konnte. Selbst die Hilfsgüter erreichten nur sehr spärlich die Menschen im Ankunftszentrum, weil einfach zu wenige Helfer da waren.

Sofort war dem Brückenauer Team klar, dass die Hilfe unbedingt weitergehen muss. Nach einer durch den Stadtrat organisierten Friedensdemo startete eine große private Spendenaktion, an der viele Personen beteiligt waren. Es kamen Unmengen an Hilfsgüter an drei verschiedenen Sammelpunkten im Altlandkreis an, sehr viele Geldspenden und auch wichtige Fahrzeugangebote für den Transport. Am 11. März startete der zweite Hilfskonvoi mit sechs Bussen in Richtung der ukrainischen Grenze, diesmal mit sehr vielen Isomatten, Schlafsäcken, Wolldecken und noch mehr Lebensmitteln. Vor Ort in Przemysl konnte das Team um Christian Wirth dann wesentlich menschlichere Zustände vorfinden als bei der ersten Reise. Alle Menschen hatten eine Liege, Decken, es gab Strom und eine funktionierende Heizung im Center, auf dem Parkplatz davor standen jede Menge Dixi-Toiletten und Duschcontainer. Alle Fahrerinnen und Fahrer von #brkhilft waren darüber sehr erleichtert. Am zweiten Wochenende konnten 18 Menschen nach Bad Brückenau gerettet werden.

Seit der zweiten Hilfsmission darf ich Teil eines großartigen Teams sein, welches immer professioneller wird. Unsere Kontakte werden besser, die Abläufe strukturierter und die Hilfsaktionen immer gezielter.

Mit diesem „Tagebuch“ möchte ich dich gerne über unsere Hilfsmissionen informieren, dich an unseren Erlebnissen teilhaben lassen, unglaublich wertvolle Menschen vorstellen und den vielen Unterstützerinnen und Unterstützern danke sagen. Außerdem möchte ich das Thema aus der Sicht eines Hilfsteams vor Ort aktuell halten, denn es ist leider noch lange nicht vorbei – die Hilfe muss weitergehen.

Ich freue mich über dein Interesse und die vielen vielen positiven Rückmeldungen, das tut jedem von uns gut, der durch die Erlebnisse im Krisengebiet auch emotional teilweise an persönliche Grenzen stößt. Lass uns gemeinsam weitermachen, damit jeder von uns einen kleinen Beitrag leistet zum Fieden in unserer Welt.

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