Bericht zur 9. Mission, Teil 1: Przemysl
Voller Einsatz an der ukrainischen Grenze für das Team von Bad Brückenau hilft. Die bereits 9. Mission war in jeder Hinsicht bewegend, berührend und vielseitig.
Ja, es ist bereits 14 Tage her, als wir mit unserem großartigen Team zum mittlerweile neunten Mal zu einer Hilfsmission aufgebrochen sind. Für meinen Freund Christian Wirth und mich waren es ganze 6 Tage Dauereinsatz mit langer Fahrt durch die Ukraine. Die Eindrücke hierzu möchte ich dir in den kommenden Tagen schildern. Es hat diesmal tatsächlich etwas gedauert, alles zu verdauen. Heute darfst du dich auf eine weitere Reise unserer tapferen Freiwilligen nach Przemysl freuen.
Nach einer nerven- und kräftezehrenden Fahrt am Freitag und einer kurzen und trotzdem erholsamen Nacht in unserem Crew-Hotel Sezam Machowa fuhren wir mit insgesamt 4 Fahrzeugen und 9 Mitgliedern von brkhilft erneut an das Ankunftszentrum Przemysl. Zuerst bauten wir unseren Verpflegungsstand auf und durften viele der geflüchteten Menschen mit Essen und Getränken versorgen.
Zum zweiten Mal mussten wir hierbei eine Feststellung machen, die uns leider etwas demotivierte. Einige der Menschen, die wir gerne an unserem Stand willkommen hießen, fielen uns negativ durch ihr extrem forderndes und aggressives Verhalten auf. Diese Personen gehören zu einem Kulturkreis, dessen Ursprung nicht ukrainisch ist, welcher aber vor Ausbruch des Krieges ebenfalls in der Ukraine gelebt hat und nach Polen geflüchtet ist. Unsere beiden Übersetzerinnen versuchten diesen Menschen zu erklären, dass wir genügend Essen und Getränke für jede dabei haben, wenn jeder ein oder zwei Sachen aussucht. Jedoch fand dies keinen Anklang. Manche dieser Menschen stopften sich mitgebrachte Taschen voll mit unseren Lebensmitteln. Zweimal mussten wir unsere Hilfe unterbrechen, um wieder für Ordnung sorgen zu können. Eine Situation, die wir von unseren Fahrten vorher nicht kannten.
Doch später am Tag sollten wir etwas erleben, was uns das alles schnell vergessen ließ.
Parallel zur Bewirtung verluden wir viele Lebensmittel und Klamotten in einen Bus, der aus der Ukraine zu uns kam, um anschließend diese Waren in die Kriegsgebiete zu fahren. Ein Teil unseres Teams reparierte auf dem Gelände des „Piece of Peace Playgrounds“ ein großes Trampolin. Die Teile hatte Carmen vom Spielplatz zuvor in mein Geschäft liefern lassen. David, Christian und ich fuhren zum Grenzübergang Medyka, wo wir bei einer befreundeten Hilfsorganisation einen Rollstuhl sowie viele Windeln für Erwachsene abgaben, die von dort aus weiter zu einem ukrainischen Altersheim transportiert werden. Hier trafen wir einen alten Bekannten wieder, den Kanadier Steve, den wir schon vor einigen Wochen kennenlernen durften.
Nach unserer Rückkehr nach Przemysl bauten wir gerade unseren Verpflegungsstand ab, als ein großer Reisebus auf den Parkplatz vor dem „Tesco“ ankam. Eigentlich nichts außergewöhnliches, denn es kommen manchmal 3 Busse mit geflüchteten Menschen dort pro Stunde an. Dass dies jedoch einer der berührendsten Augenblicke seit Beginn unserer Hilfsmissionen werden sollte, hatte keiner von uns in diesem Moment vermutet.
Die Türen des silbernen Busses gingen auf, und es stiegen Kinder aus, viele Kinder. Und fast nur Kinder, bis auf ein paar wenige Erwachsene. Wir schnappten uns sofort ein paar Boxen unserer Kinder-Turnbeutel und liefen rüber zum Bus. Wir überreichten die Taschen an die Kinder, und uns entging nicht, dass mit ihnen irgendetwas nicht stimmte. Unsere Übersetzerin Nastiia erkundigte sich bei den Betreuerinnen, wo die Kinder herkommen. Sie waren aus der Region Iwano-Frankiwsk, der Ort, in den Christian und ich zwei Tage später reisen würden. Was die Betreuerinnen uns noch erzählten, ließ uns nicht nur einen eiskalten Schauer über den Rücken laufen. Nein, wir waren alle zutiefst bewegt. Alle diese Kinder hatten ihre Eltern und teilweise Geschwister durch Kriegshandlungen verloren.
Diese Tatsache und das Wissen darüber machte es für uns nicht einfacher, der Bitte der Betreuerinnen nachzukommen, ein Foto mit der Gruppe zu machen. Ja, es war uns tatsächlich peinlich. Doch als wir merkten, dass genau das die Kinder in diesem Moment ablenkte und unsere Wertschätzung ihnen gegenüber ein wenig ihre Stimmung aufhellte, mischten wir uns unter die Gruppe, und es wurden viele, viele Fotos gemacht, und wir durften spüren, wie für einen kurzen Moment für alle dieses traurige Schicksal ausgeblendet werden konnte. Und wieder einmal waren wir uns einig, dass es genau diese Augenblicke sind, die mit keinem Geld der Welt zu bezahlen sind.
Im Anschluss verabschiedeten wir unser Team, das sich auf die Fahrt in Richtung Heimat machte. Nastiia, Christian und ich blieben bei Carmen auf dem Spielplatz und durften dort abends noch bei der Betreuung der vielen Kids helfen. Am Abend bezogen wir unsere Zimmer im nahegelegenen Hotel, um noch einmal auszuschlafen vor der großen Fahrt in die Ukraine.
Bewegende Stunden und berührende Momente haben wir alle gemeinsam erlebt. Das Team der Heimfahrer um Oliver Belz übernachtete in einem Hotel in Kattowitz, wo sie an diesem Abend im Hotel noch lange zusammen saßen und über diese krassen Momente diskutieren mussten, um die Köpfe frei zu bekommen.
Wie es für Christian, Nastiia und mich an den folgenden Tag weiter ging, erfährst du im nächsten Bericht; danke für dein Interesse an unserer Friedensmission. Wir machen weiter – versprochen!